Planen oder drauflos schreiben?

11.03.2021 von Horst Karbaum

Wie immer auf Erden gibt es beim Schreiben eines Buches unterschiedliche Herangehensweisen. Das ist von der Person des Autors bzw. der Autorin abhängig. Man kann sehr geplant sein Buchprojekt beginnen und den roten Faden von vornherein in seine Geschichte "hineinlegen". Im Folgenden beschreibe ich eine der gängigen Methoden. 

Haben Sie schon mal den Begriff "Heldenreise" gehört? Das ist eine bewährte Struktur, um einen Roman zu schreiben. Viele Drehbücher für Hollywoodfilme sind so geschrieben worden.

  1. Man beginnt mit einer Einführung, in der Held oder Heldin in seiner / ihrer Umgebung beschrieben wird. Es ist in gewisser Weise der Startblock, von dem aus die Geschichte "losläuft". Nehmen wir zum Beispiel den Beginn von "Der kleine Hobbit" von J. R. R. Tolkien. Man liest darin am Anfang, wie das Auenland aussieht, was Bilbo für ein Haus und was für eine Tür dieses Haus hat.
  2. Es folgt die Berufung. Gandalf besucht Bilbo und bringt ihm schonend bei, was er von ihm will. Die Welt muss vor dem Bösen gerettet werden und Gandalf braucht Bilbo unbedingt dazu.
  3. Der Held muss Schwellen überschreiten Bilbo ahnt, dass das nichts für ihn ist. Er wittert Gefahr und Abenteuer, aber ewig weigert er sich nicht und sagt Gandalf zu.
  4. Bilbo und seine Mitreisenden müssen Prüfungen bestehen. Die Gruppe um Bilbo muss zum Beispiel Smaug den Drachen besiegen. Wie wir wissen, ist unseren Reisenden auch das erfolgreich gelungen. Hier hätte Tolkien sein Buch beenden können und es wäre gut gewesen. Western enden so: Der Held stellt sich dem Schurken, er zieht schneller und trifft. Dann setzt er sich auf sein Pferd und reitet in den Sonnenuntergang.
  5. Es kann aber auch anders, nämlich zu einer Auferstehung kommen. Den alten Bilbo gibt es nicht mehr. Er ist ein bewährter Kämpe, der gereift ist und als ein anderer Hobbit zurück ins Auenland kommt.

Wenn man ein "Gerippe" braucht, an dem man sich entlang hangeln will, ist das sehr gut. Ein wesentlicher Vorteil der Planung ist, dass man sich vorher überlegt, was bei der Leserschaft ankommt und alles auf ein möglichst erfolgreiches Buch ausrichten kann. Das ist auch der Grund, warum so bei Hollywood-Drehbüchern gearbeitet wird.

Aber nicht jeder Autor und jede Autorin kann das. Es gibt viele, die eine grobe Idee für den Anfang haben, etwas ausdrücken wollen oder sich einfach nur vom Herzen schreiben möchten und dann einfach losschreiben. Doch auch diese Gruppe ist nicht vollständig gleichförmig, denn einige davon haben schon ganz klar das Ende der Geschichte im Kopf und andere lassen das Ende "auf sich zukommen". 

Ich persönlich gehöre der letzten Art an und bin oft erstaunt darüber, was aus der ersten Idee wird. Für mich ist es das, was mir beim Schreiben gefällt. Ich entwickle ein Buch aus der ersten und der jeweils nächsten Idee. Das ist unheimlich spannend und ich komme zu einem Buch, das mir vorher fremd war. Leider und auch wunderbarerweise ist das eine Arbeitsweise, die immer Unvorhersehbares bringt. Deshalb hätte ich sicher auch Schwierigkeiten mit dem Auftragsschreiben für einen Verlag und der Änderungsvorschlägen der Lektoren. Wahrscheinlich bekäme ich auch ein Buch mit dem geplanten Schreiben gemäß Heldenreise oder vorgeplantem Inhaltsverzeichnis hin, aber es würde mir weniger Spaß machen.

Welche Art des Schreibens Sie haben oder vorziehen, ist nur Ihre Sache. Sie sollten die Art wählen, die Sie am ehesten zufriedenstellt.